Wer hätte sich vor kurzem vorstellen können, dass so viele Menschen gegen die AfD und deren rechte Politik auf die Straße gehen? Die riesigen Protestkundgebungen in so vielen Städten gegen die rassistischen Vertreibungsphantasien der extrem Rechten haben in den letzten Wochen eindrucksvoll demonstriert, dass Millionen keinen Bock auf Nazis haben.
Auslöser war der Bericht des Recherchezentrums Correctiv, das im Januar ein geheimes Treffen von hochrangigen AfD-Politikern mit Unternehmer*innen, Jurist*innen, Ärzt*innen und CDU-Politiker*innen öffentlich machte, auf dem Pläne zur Vertreibung und „Remigration“ von Migrant*innen und deren Unterstützer*innen vorgestellt und diskutiert wurden. Martin Sellner, Aktivist der rechtsextremen Identitären Bewegung, referierte unter anderem über die Idee, einen nordafrikanischen „Musterstaat“ einzurichten und in diesen zwei Millionen Menschen zu deportieren. Menschen mit Migrationsgeschichte aber auch deren Unterstützer*innen sollen gewaltsam ausgewiesen werden.
Von einem „exklusiven Netzwerk“ war die Rede und einer „Mindestspende“ in Höhe von 5.000 Euro, die für die Teilnehmenden empfohlen wird. Das Sammeln von Geld sei eine „Kernaufgabe unserer Runde“, hieß es in dem Schreiben mit dem eingeladen wurde.
So erschreckend diese Pläne sind, sollte nicht übersehen werden, dass sie in einigen Teilen nur eine Radikalisierung und Überspitzung der herrschenden Asyl- und Migrationspolitik sind.
Zur Erinnerung: Der Bundeskanzler ließ sich erst im Oktober auf dem Spiegel-Cover mit dem Satz „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ zitieren. Und mit seiner kurzen Erklärung zum Geheimtreffen der AfD und Konsorten verschlimmbesserte er es nur noch: „Wer hier lebt, hier arbeitet und sich zu den Grundwerten unserer Demokratie bekennt, gehört zu uns.“ Was mit denen passieren soll, die diese Kriterien nicht erfüllen, lässt er offen. Ein mehr als fragwürdiges Rechtsverständnis, wenn diese eben nicht für alle gelten sollen, sondern nur für die von Politiker*innen als dazugehörig Betrachteten.
Doch schon am Montag nach der Spiegel Veröffentlichung demonstrierte Abschiebekanzler Scholz schamlos auf der Großdemonstration „Deutschland bekennt Farbe“. Begleitet wurde er von Annalena Baerbock, die zuletzt die migrationsfeindliche Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gegen ihre eigene Basis durchgesetzt hatte.
Schon wenige Tage später, am Donnerstag, den 18. Januar, wurde im Bundestag das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ beschlossen, das einen massiven Eingriff in die ohnehin schon stark eingeschränkten Grundrechte von Geflüchteten und Migrant*innen darstellt. Abschiebehaft soll auf 28 Tage verlängert werden, Polizist:innen dürfen auf der Suche nach Menschen, die abgeschoben werden sollen, auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer der jeweiligen Person in Asylunterkünften betreten können. Einreise- und Aufenthaltsverbote sowie Einschränkungen bei der Wahl des Wohnsitzes sollen zukünftig sofort in Kraft treten, auch wenn die betroffene Person rechtmäßigen Widerspruch oder Klage einlegt.
Mit dieser Verschärfung der Migrations- und Abschiebepolitik zeigt die Bundesregierung, wo sie sich tatsächlich politisch verortet. Auch wenn sie aktuell ihr Fähnchen in den vorherrschenden Wind gegen Rechts flattern lässt, setzt sie unbeirrt weiterhin auf Restriktionen gegen Geflüchtete und Migrant*innen.
Das zugrundeliegende Problem ist nicht nur eine Politik, die auf die entscheidenden Krisen der Welt – Krieg, Klimawandel und globale Ausbeutung – keine Antworten findet. Eine Politik, die stattdessen seit Jahr und Tag, wenn es opportun ist, die Geschichte der Migration in diesem Land zurückdrehen will und Geflüchtete als Sündenböcke nützt, um von ihrem eigenen politischen Versagen abzulenken.
Ein grundlegendes Problem ist auch unser politisches System selbst, aufbauend auf einer rassistisch und nationalistisch strukturierten Gesellschaft. Die Vergangenheit wie Gegenwart zeigt, dass Politik gegen rechtes, illiberales und autoritäres Gedankengut sich nur bedingt in Parlamenten machen lässt. Es lässt sich daher auch nicht an Politiker*innen weg-delegieren. Solch menschenverachtenden Ideen muss vor Ort begegnet werden: In den Vereinen, am Arbeitsplatz, auf dem Sportplatz, im Freund*innenkreis und nicht zuletzt alltäglich auf der Straße. Die Demonstrationswelle ist ein ermutigendes Signal, aber es ist allerhöchste Zeit dieses Engagement zu verstetigen und lokalen antirassistischen und antifaschistischen Gruppen beizutreten – oder neue aufzubauen, wo diese fehlen. Rassistisches, antisemitisches, faschistisches und autoritäres Gedankengut – und die Menschen die dies verbreiten und fördern – lassen sich nur durch konsequente, dauerhafte Arbeit dagegen und für eine solidarische Gesellschaft bekämpfen!
Wir, die Antirassistische Gruppe Mainz, setzen uns gleichermaßen gegen Rassismus und Antisemitismus ein und kämpfen gemeinsam für Menschenrechte, bedingungslose Bleiberechte und gegen die weitere Entrechtung marginalisierter Menschen. Wir verstehen uns als Teil einer größeren antirassistischen und antifaschistischen Bewegung, und rufen alle dazu auf sich einzubringen – bei uns oder anderswo. Denn eins ist klar: Faschistische Ideen haben Konjunktur und nur gemeinsam können wir sie besiegen!